Montag, 14. Dezember 2009

Christian Lindner - der erste intellektuelle Generalsekretär seit Karl-Hermann Flach

Mein Anforderungsprofil an die Position des Generalsekretärs der FDP in der jetzigen Situation ist eine seltene Mischung von "Einstellungskritierien". Ich verlange von einem Generalsekretär der FDP jetzt im Wesentlichen, dass er über den Tag hinaus denken, also vordenken, kann. Und dass er in der Lage ist, die FDP auch gegenüber dem politischen Gegner deutlicher zu profilieren als dies ein Regierungsmitglied im Allgemeinen und ein Chefdiplomat im Besonderen kann. Wobei nicht unbedingt ein Lautsprecher gefragt ist - man kann auch mit leisen oder zumindest leiseren Tönen Profil bilden. Wenn man es kann. Dirks Haudrauf-Rhetorik hatte immer schon ihre gewisse Qualität. Ich vermute aber Karl-Hermann Flach pflegte leisere Töne und sorgte dennoch für Sichtbarkeit der Liberalen. Sichtbarkeit kann auch durch kluge Gedanken allein erwachsen.


Ich persönlich hätte den Dortmunder Bundestagsabgeordneten Michael Kauch ausgewählt. Er ist ein kluger Stratege, ein klarer Kopf und ein echter Denker. Bei ihm mischt sich, was selten ist, Theoriekenntnis und Praxistauglichkeit. Zudem hat er einige Jahre als Bundestagsabgeordneter hinter sich und kennt Berlin wie seine Westentasche. Er ist nicht nur ein Mann der großen Linie, sondern auch stark im Detail. Wenn Michael bei einer Abstimmung seine Hand hebt, könnte ich zudem fast immer blind ebenfalls die meinige heben, wenn ich der vorherigen Debatte nicht gefolgt sein sollte. Dabei ist Kauch immer Kauch, immer er selbst geblieben.

Guido Westerwelles Entscheidung für Christian Lindner ist dennoch - auch unter den genannten Kriterien - ebenfalls eine überzeugende Wahl. In meiner Zeit als stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen für Programmatik war Christian Mitglied des Landesvorstandes der Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalen. Ich muss gestehen, dass er mir seinerzeit (1996-1998) in Debatten auf Bundeskongressen der JuLis nicht sonderlich aufgefallen ist, wenn er sie denn damals geführt hat. Auffällig hingegen war, dass er bereits frühzeitig an Podiumsdiskussionen der Bundestagsfraktion gewissermaßen als "Vertreter" der Jungen in der FDP auftreten durfte. In Jörg van Essen - so entspringt es meiner Erinnerung - schien er bereits frühzeitig einen Fan zu haben. Manche "Jungliberalen-Funktionäre", ich gehörte dazu, empfanden den frühen Lindner-Hype anfangs auch auch ein stückweit irritierend. Aber schon in dieser Zeit war in Gesprächen eine unglaubliche gedankliche Schnelligkeit, Sicherheit und Professionalität - auch im Umgang mit deutlich älteren erkennbar; seine Überlegenheit ließ er auch den einen oder anderen spüren.

In späteren Diskussionen erlebte ich Christian als ungemein belesenen und fundierten Debattierer, der es verstand, selbst banale Diskussionen mit Tiefgang zu versehen. Die Verbindung dieses Talents mit seiner unbestrittenen Praxistauglichkeit, seinen kommunikativen Fähigkeiten und den durch den Lauf seines Lebens erwiesenen Managementqualitäten lassen erhoffen, dass er über kurz oder lang der Position des Generalsekretärs wieder die Bedeutung einhauchen wird, die sie zuletzt zu Westerwelles Zeiten hatte. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich mein altes Bonmot "früher hatten wir einen Generalsekretär, der hieß Flach, jetzt haben wir einen Generalsekretärin, die ist flach" nicht um eine Endung verändert auf Christian anwenden muss.

Er ist der erste intellektuelle FDP-Generalsekretär seit Karl-Hermann Flach - eben "the brain", wie ich ihn auf Twitter nannte.

Jedenfalls bin ich froh, dass Westerwelle auf einen starken Partner gesetzt hat, nicht auf ein charmantes Sprachrohr. Auf einen General. Nicht auf einen Sekretär.

1 Kommentar:

  1. Hui, ich bin überrascht ob solch eines offenen und ehrlichen Textes! Ich muß gestehen, dass ich das von einem Mandatsträger der FDP in dieser Klarheit und argumentativer Stringenz nicht erwartet hätte - zudem auch noch in einer lesenswerter Sprache dahergebracht. Respekt. Es freut mich auch in anderen Parteien auf solche Köpfe zu stossen (auch wenn die Politik ihrer Partei, ich sag nur "Wachstumsbeschleunigungsgesetz", bei mir wirklich nur verständnisloses Kopfschütteln auslöst) - dies gibt mir als Demokrat zu hoffen.

    In diesem Sinne ein gutes neues Jahr 2010, von einem Offenbacher Grünen :-)

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