Donnerstag, 15. Oktober 2009

Aufruf zu einer liberalen Bürgerrechtsoffensive

Beschlusses des Bundeskongresses der Jungen Liberalen (1997)

Hier meine Lieblingspassagen:

"Unbeirrt durch den Zeitgeist -
Aufruf zu einer liberalen Bürgerrechtsoffensive"

In den letzten Jahren sind Grundrechte sukzessive eingeschränkt worden. Etwa die von den Sozialdemokraten geforderte Beweislastumkehr im Rahmen der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität macht deutlich, daß mit den bereits getroffenen Entscheidungen noch nicht das Ende konservativer Phantasie gekommen ist.


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Das Gesetz kann und darf nicht alles regeln. Gesetze verbriefen zwar die Bürgerrechte und sollen vor Willkür schützen und für Gleichbehandlung sorgen. Sie können aber keine absolute Gerechtigkeit schaffen. Der übertriebene Versuch überall Einzelfallgerechtigkeit zu schaffen, führt zu immer komplizierteren Regelwerken, die letztlich immer neue Ungerechtigkeiten produzieren. Eine Ungerechtigkeit ist es auch, wenn die Einklagbarkeit von Rechten nicht mehr für jeden in angemessener Zeit und in einem angemessenen Verfahren möglich ist.

Aber auch in einem Rechtsstaat kann es illegitime Gesetze geben. Nur der liberale Rechtsstaat sichert Bürgerrechte, weil es gerade sein Ziel ist, sie und somit Freiheit - zu verwirklichen. Die Grenze des liberalen Rechtsstaates ist die Freiheit des Einzelnen. Es gibt auch Grenzen bei der Förderung der Entfaltung des Einzelnen. Nur ein liberaler Rechtsstaat ist ein starker Staat. Ein illiberaler Staat sucht seine innere Schwäche durch scheinbare Stärke zu vertuschen. Der liberale Rechtsstaat schützt vor Kriminalität und Machtmißbrauch - ohne die zu schützende Freiheit selbst zu zerstören.

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Der von den Sozialdemokraten geforderte Eingriff in das Eigentumsrecht ("Beweislastumkehr") und die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl sind Beispiele, die belegen: daß Grundrechte in der Bundesrepublik derzeit akut bedroht werden. Von Seiten des Staates wird versucht, ihren Abwehrcharaker abzuschwächen.

Grundrechte haben als Abwehrrechte gegenüber dem Staat aber nicht ausgedient. Bürgerrechte dürfen nicht aufgrund von Effizienzerwägungen oder gesellschaftlichem Populismus beschränkt oder relativiert werden. Bürgerrechte müssen verhindern, daß der Staat Agentur der Mehrheiten und Mächtigen wird.

Der Schutz persönlicher Freiheit vor dem überwachenden Staat bleibt ein wichtiges liberales Ziel. Neben das Problem des überwachenden tritt das Problem des überbürokratisierenden Staates. Die Menschen, die staatliche Institutionen zu ihrer Entlastung geschaffen haben, werden von deren Regelungen zunehmend belastet. Die Unternehmen, die mehr Spielräume zum Bestehen im internationalen Wettbewerb benötigen, werden durch die von ihnen auszuführende Flut von Verwaltungsmaßnahmen zunehmend gegängelt und mit Kosten belastet.

(...)

Frauen wird in der Bundeswehr die freie Berufswahl verweigert, statt sie zum Dienst an der Waffe zuzulassen. Schwulen und Lesben wird die rechtliche Absicherung ihrer Partnerschaft mit Rechten und Pflichten verweigert, statt ein eheähnliches Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare einzuführen. Homosexuellen Soldaten wird die Vorgesetzteneignung abgesprochen, statt sie gleichberechtigt nach Leistung einzusetzen. Handwerkergesellen mit abgeschlossener Ausbildung wird der Weg in die Selbständigkeit verweigert, statt auch ohne Meisterprüfung die Gewerbefreiheit umzusetzen. Prostituierte werden in soziale Unsicherheit, Anonymität und sexuelle Ausbeutung abgedrängt, statt Prostitution als Dienstleistung anzuerkennen. Die Konsumenten weicher Drogen werden kriminalisiert, statt ihnen eine eigenverantwortliche Entscheidung zuzubilligen.

In all diesen Beispielen sehen die Jungen Liberalen eine unbillige Ausübung staatlicher Macht, da in Gesetzesform gegossene konservative Wertdiktate und interessensgeleitetes Standesdenken die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Gesellschaft behindert.

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Die Bürgerrechtsoffensive: Wider der Gefälligkeitspolitik

Gesellschaftliche Freiheiten müssen schon aufgrund sich ändernder gesellschaftlicher Gegebenheiten und neuer technischer Entwicklungen jederzeit neu gesichert werden. Unser Staat ist nicht deshalb so freiheitlich geworden, weil Konservativen die Erhaltung des Gegenwärtigen gepredigt, sondern weil Liberale immer für gesellschaftliche Offenheit und Beschränkung staatlicher Macht gekämpft haben.

Verantwortung übernehmen !

Es bedarf des Engagements der Bürger, ihre Rechte wahrzunehmen und des Mutes, sie stets wieder neu einzuklagen, wenn sie aufgrund technischer Entwicklungen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft oder durch politische und gesellschaftliche Veränderungen bedroht werden. Nicht nur ein kollektivistischer Trend zu mehr Staat, sondern auch die mangelnde Wahrnehmung von Bürgerverantwortung fördert den Abbau der Bürgerrechte.

Die Flucht vor der Übernahme von Verantwortung führt zu Verstaatlichung von Verantwortung und damit zum Abbau von Freiheit. Bürgerverantwortung erwächst aus der Existenz von Bürgerrechten. Die Verantwortungsgesellschaft darf nicht mit der Pflichtgesellschaft verwechselt werden. Verantwortungsübernahme kann nur freiwillig erfolgen - nicht aus Autoritätsgläubigkeit oder Gehorsam. Pflichten werden dagegen verordnet.

Sich dem konservativen Rollback entgegenstellen

Die Jungen Liberalen machen deutlich: Bürgerrechte betreffen jeden. Bürgerrechtsfragen sind keine Nebensächlichkeiten. Die sind keine abseitigen Randthemen für wirtschaftliche Boom-Phasen. Die durch Bürgerrechte zu sichernden bürgerlichen Freiheiten sind nicht konjunkturabhängig, sie sind ein zentrales Fundament unserer Gesellschaft.

Konservative aller Parteien nutzen die wirtschaftliche Rezession und Bedrohungspotentiale zu einem Rollback insbesondere in der Innen- und Rechtspolitik und verschärfen dabei in der Bevölkerung vorhandene Ängste. Eine konservative Grundströmung fördert Restaurierung. Andersartiges, Fremdes wird danach häufig eher als Bedrohung denn als Bereicherung empfunden.

Im Prinzip sind heute alle Parteien strukturkonservativ geworden. Für ein solches Zeitgeist-Surfen hat der Entwurf zu einem F.D.P.-Grundsatzprogramm - im bezug auf die Wirtschaftspolitik - ein Wort gefunden: „Gefälligkeitspolitik“. Die Gefälligkeitspolitik nimmt aber nicht nur keine Rücksicht auf wirtschaftliche Freiheiten. Sie opfert Bürgerrechte auf dem Altar der Koalition oder im Angesicht drohender Wahlen.

Das Kennzeichnen der liberalen Bürgergesellschaft ist ihre Orientierung an der durch Bürgerrechte gesicherten Freiheit des Individuums. Das Kennzeichnen der Gefälligkeitspolitik ist ihre populistische Orientierung an Wählerstimmen und Stimmungen ohne Rücksichtnahme auf Bürgerrechte.

Statt Ursachen von Regelverstößen anzugehen und bestehende Gesetze durchzusetzen, werden Regeln symbolisch verschärft. Die Bürger erfahren: es kommt nicht mehr darauf an, ob eine neue Regel sinnvoll ist oder nicht, sondern nur noch darauf, ob sie ankommt oder nicht. Die Änderung von Gesetzen ist Opium für das Volk. Die Hemmschwelle für weitreichende Eingriffe in Freiheitsrechte sinkt. Staatsorientierung wie Staatsverdruß wachsen.

Auch die F.D.P. hat mitgemacht bei dieser Gefälligkeitspolitik im Bürgerrechtsbereich. Auch Liberale haben bislang der Versuchung nicht widerstehen können, sobald sie Schalthebel der Macht in den Händen hielten. In manchen Bereichen wie beim Sonderehrenschutz für Soldaten haben sich Gefälligkeitspolitiker der F.D.P. sogar an die Spitze der Bewegung gesetzt und freiheitsbeschränkende „Wohltaten“ gezielt an eine bestimmte Klientel verteilt.

Liberale Politik für Bürgerrechte richtet sich aber nicht nach Umfragen, sondern fragt nach politischen Antworten. Die Freien Demokraten werden deshalb unbeirrt durch den Zeigeist“ (F.D.P.-Grundsatzprogrammentwurf) für einen liberalen Weg zu werben - für mehr Bürgerrechte.

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