Dienstag, 13. Oktober 2009

Warum Westerwelles "Menschenrechtsministerium" eine Chance ist

Obama kippt den Dalai-Lama-Empfang, der Börsenverein des Buchhandels lädt Regimekritiker aus. Menschenrechte haben keine Hochkonjunktur. Mit einem Außenminister Westerwelle würde ein fast vergessenes Thema in der FDP wieder reüssieren.


Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre beherrschten außenpolitische Debatten Bundeskongresse der Jungen Liberalen. Manche Jungpolitiker entwickelten dabei eine solche Leidenschaft, dass die JuLis als Mini-Genschers zu bezeichnen, durchaus angemessen gewesen wäre. Liberale Außenpolitik zeigte liberale Haltung, zeigte liberale Gesinnung, schaffte liberale Identität, gab der FDP irgendwie einen höheren Sinn.

Mit Klaus Kinkels solider, aber wenig glanzvoller Zeit als Außenminister und erst recht in den Zeiten der Opposition beherrschten dann andere Themen die Agenda der Parteijugend. Aber viel schlimmer: Die Partei verlor schon unter Kinkel mit dem Verzicht auf eine auch öffentlich gelebte Werteorientierung der Außenpolitik einen wichtigen Teil ihrer liberalen Identität, was von Kommentatoren unbeachtet und verdeckt durch seine beachtlichen Popularitätswerte erheblich mehr zum Imageverlust der FDP beitrug als "Umfaller" der Partei bei "Pflegeversicherung", "Asyl" und "Lauschangfriff". Die Malaise der deutschen Liberalen hatte begonnen - sie hätte fast zu ihrem Untergang geführt. Die FDP degenerierte in Folge des Bedeutungsverlust ihrer liberalen Außenpolitik in öffentlicher Wahrnehmung zunächst zum Bauchladen für alles Mögliche ohne blau-gelben Faden bzw ohne erkennbare Geisteshaltung und danach, um ihr wieder neues Profil einzuhauchen, zur 1-Punkt-Partei.

Ich erinnere mich hauptsächlich an einen Fall, bei dem das Interesse der Julis und der Partei an der Außenpolitik wieder für einen kurzen Augenblick aufflammte: Vor allem Bundesaußenminister Kinkel war 1996 die "Dalai Lama Konferenz" der Friedrich-Naumann-Stiftung ein Dorn im Auge. China drohte Kinkel und der Stiftung. Kinkel befürchtete der Event könne außenpolitisches Porzellan zerbrechen.

Die Jungen Liberalen brachten daraufhin auf dem FDP-Bundesparteitag in Karlsruhe einen Dringlichkeitsantrag ein. Ziel: die FDP und ihr Außenminister Klaus Kinkel sollen die Stiftung unterstützen. Roland Werner und ich hatten den Antrag zuvor mit dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied der Stiftung, Rolf Berndt, abgestimmt. Kinkel war "not amused" und versuchte den Antrag mit Zuckerbrot und Peitsche zu verhindern.

In diesen Minuten war Jürgen Möllemann eine große Hilfe. Möllemann setzte auch in außenpolitischen Fragen eher auf offene Worte und laute Töne. Außerdem war er ein Intimfeind Kinkels. Ich berichtete ihm von Kinkels Versuchen und bat ihn um Untertstützung für den JuLi-Antrag. Wie ein Irrwirsch rannte er daraufhin durch die nordrheinwestfälischen Delegiertenreihen und stimmte die Delegierten auf die Thematik ein, was auch Kinkel nicht entging. Jedenfalls ließ Kinkel die Abstimmung über sich ergehen. Der Parteitag stimmte dann - wohl einstimmig - nach meiner kurzen, kinkelverträglichen Begründung zu. Im selben Jahr noch schloss das chinesische Regime Büro der Stiftung in Peking. Die Stiftung hatte damit mehr Haltung gezeigt als der Friedensnobelpreisträger Obama in der Causa Tibet.

China ist ein tolles, vielfältiges Land - mit großer Tradition. Wahrscheinlich kann man ihm keine europäische Staatsform überstülpen. Doch Menschenrechte bleiben universell!

Manche Kommentatoren und viele Parteifreunde wünschen sich einen "Superminister" Westerwelle, der als Wirtschafts- und Finanzminister, der FDP Profil gibt. Sie kritisieren, Westerwelle wolle sich in einem Amt sonnen, das hohe Popularitätsraten verspricht. Von einem Außenminister Westerwelle verspräche ich mir hingegen, dass das Außenministerium nicht nur Außenhandelsministerium, sondern wieder auch mehr Menschenrechtsministerium wird. Und dass er schafft, liberale Geisteshaltung zu vermitteln, die weit mehr ist als ein Steuersparmodell. Dann funktioniert das auch mit der Mittelpartei!

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