Dienstag, 6. Oktober 2009

Internet-Sperren und warum ich von der FDP hier einen Verhandlungssieg erwarte

Man sollte sich nicht von der Union ins Bockshorn jagen lassen. Die erklärt jetzt überhaupt nichts für verhandelbar: Weder Steuersenkungen, noch Gesundheitspolitik, noch Sicherheitsgesetze. Und schon gar nicht Netzsperren.

Deshalb bin ich nach einer Gremien-Sitzung über die defätistische Prognose eines Freidemokraten, über die seiner Auffassung nach eher geringen Chancen, einen Verzicht auf "Netzsperren" durchzusetzen, etwas schockiert [anderseits sehr motiviert ausgerechnet durch einen BILD-Artikel über FDP-Stadlers Position, dessen Position hier wohl in diesem Fall entscheidender ist]

Ich hatte in der Gremiensitzung ehrlich gesagt den Eindruck, es lag an der nicht tiefergehenden Beschäftigung mit dem Thema. Daher möchte ich nochmal

1. auf den Wahlaufruf der FDP vor der Bundestagswahl hinweisen und
2. auf einen sehr guten Artikel zu diesem Thema verlinken (pdf) [zum ODEM.blog], der einen Workshop eines Seminars der Freiheitsstiftung Friedrich-Naumann zusammenfasst. Vielleicht hilft´s ja.

Für schnelle Leser folgende Zitate aus dem eben genannten Workshop-Bericht:

* Internet-Blockaden wirken nur scheinbar: sie entfernen keine Kinderpornographie aus dem Internet, sondern blenden diese nur für diejenigen aus, die sie sowieso nicht anschauen.
* Die überwiegende Mehrheit der zu sperrenden Webseiten kommt aus westlichen Ländern, viele aus Deutschland – die Herausnahme aus dem Netz und ein Zugriff auf die Täter wäre also möglich, wenn es sich tatsächlich um illegales Material handelt.
* Internet-Sperren schützen keine Kinder vor (sexuellem) Missbrauch.
* Es ist naiv anzunehmen, dass ein einmal etabliertes Filtersystem nur auf Kinderpornographie beschränkt bleibt.
* Internet-Sperren sind im Kampf gegen Kinderpornographie nicht wirksam, auch von technisch nicht versierten Nutzern leicht umgehbar und in keinster Weise verhältnismäßig.
* Der Tausch von kinderpornographischen Material findet vornehmlich außerhalb von (einfach) sperrbaren Transportwegen statt.
* Sinnvoller wäre, die Anstrengungen zur Verfolgung der Täter zu intensivieren. Dafür ist ausreichendes und mediengerecht ausgebildetes Personal bei den Strafverfolgern notwendig.


Beeindruckend zeigt der Bericht die Kollateralschäden bei finnischen Netzsperren auf:
Die Analyse der in Finnland verwendeten Filterliste zeigt, dass unter den rund 1000 analysierten Seiten kaum kinderpornographisches Material zu finden ist. 99% der gesperrten Webseiten enthalten keine Kinderpornographie.


Die "Netzsperren" müssen in den Koalitionsverhandlungen hohe Priorität haben.
Zum einen sind die Netzsperren sicher - neben der Vorratsdatenspeicherung - das Symbolthema in der netzaffinen Community. Aber das ist nicht das Entscheidende. Mit Netzsperren erhält der Staat erstmals ein Mittel für Freiheits-Einschränkungen in die Hand, die irgendwann drohen, zu Zensur auszuarten.


Deshalb erwarte ich genau hier einen Verhandlungssieg gegen Zensursula!

Bild zum Thema

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