Mittwoch, 4. August 2010

Das Offenbacher Neubautrauma - warum die Hafenbebauung besser werden wird als viele glauben

Sie wohnen nicht direkt mit Balkon zum Main und Lüften zum Main hin? Dann gehören Sie gewissermaßen automatisch zum Prekariat oder weniger intellektuell, nein fast böse, ausgedrückt: zur Unterschicht!

Wie ich darauf komme? Auf dem Offenbacher Hafengelände ist bekanntlich auch Wohnbebauung geplant und zwar
  1. auf der Hafeninsel hin zur Mole eher mit Gebäuden wie man sie hier auf dem Foto des Frankfurter Westhafen sieht, also mehrgeschossige Häuser in "offener Bauweise". Das bedeutet die Häuser sind also nicht mehr als 50 Meter breit. Solche Gebäude gibt es in Frankfurt sowohl zum Main als auch zur Mole hin.
  2. auf der Hafeninsel zum Main hin. Dort sind Wohnungen nach Passivhausstandard geplant. Diese Wohnungen sollen zum Main hin keinen Balkon haben. Die Fenster sind zum Main hin grundsätzlich zum Rausschauen da, aber nicht zum Lüften. Grund: Der potenzielle Lärm von Seiten der Frankfurter Industriebetriebe. Außerdem soll es sich dabei nicht um eine offene, sondern um eine geschlossene Bauweise handeln. Das heißt die Gebäude sind breiter als 50 Meter, um die dahinterliegenden Gebäude (an der Mole) vor dem Frankfurter Lärm abzuschirmen.

Diese zweite Variante hat nun dazu geführt, dass es sich gewissermaßen als Fakt in Köpfen von Teilen der Öffentlichkeit festgesetzt hat, dass es sich bei den dem Lärm ausgesetzten Häusern ohne Balkon mit den nicht zu öffnenden Fenster um einen künftigen sozialen Brennpunkt handeln wird. Meine Meinung dazu:
  • Balkone wären sicher verkaufsfördernder. Aber ein schöner Blick auf den Main ist doch allemal besser als ein schöner Blick auf Beton. Fehlender Balkon also automatische Ursache eines künftigen Brennpunkts? Fehlanzeige!
  • Offene Fenster braucht es in Passivhäusern nicht. Ich empfehle allen, die ihre Witze über die geschlossenen Fenster in den Häusern reißen, mal sich dringend mit der Charakteristik von Passivhäusern auseinanderzusetzen. Ich bringe es mal auf dem Punkt: Das Passivhaus will per se eigentlich keine offenen Fenster! Wikipedia sagt: "Um die Lüftungswärmeverluste zu begrenzen, benötigen Passivhäuser eine kontrollierte Wohnraumlüftung. Diese sorgt für den aus hygienischen Gründen notwendigen Luftaustausch. Daher wird etwa alle 1 bis 4 Stunden die Luft im Haus ausgetauscht um die Raumluftqualität zu steigern. Bei diesen geringen Luftvolumenströmen sind Luftbewegung, Zugluft oder Geräusche nicht wahrnehmbar. Die frische, gefilterte und vorgewärmte Zuluft wird den Wohn- und Schlafräumen zugeführt, gelangt von dort durch Überstromöffnungen in die Flure und wird in Küchen, Bädern und WCs wieder abgesaugt. Von dort geht die Abluft durch Kanäle zum Wärmeübertrager und schließlich als Fortluft nach draußen. Die wesentliche und besondere Eigenschaft eines Passivhauses ist die konstante Innentemperatur. Das gilt sowohl über das Jahr gesehen als auch über einen Tag sowie für einzelne Räume....Die kontrollierte Wohnraumlüftung eines Passivhauses sorgt mithilfe von Luftfiltern für eine bessere Luftqualität der Raumluft im Vergleich mit der Außenluft...Die sehr geringe Heizlast eines Passivhauses erlaubt eine Beheizung ausschließlich über die Lüftungsanlage." Auf gut deutsch: Lüften über Fenster ist bei Passivhäusern nicht erwünscht und nicht erforderlich. Da es quasi 0-Energie-Häuser sind, werden sie eine hohe Marktfähigkeit besitzen. Fehlende Lüftungsmöglichkeit durch Fenster also automatische Ursache eines künftigen Brennpunkts? Fehlanzeige!
  • Die Wohnungen werden durch den Passivhausstandard innen leise sein, leiser als die meisten Wohnungen in Offenbach. Genau darum dreht sich ja auch eine der juristischen Fragen, im derzeitigen Streit um die Genehmigung des Baugebietes: Ist es entscheidend, ob es vor dem Fenster laut ist oder ist es entscheidend, dass es am Ohr des Bewohners in der Wohnung leise ist. Lärm also automatische Ursache eines künftigen Brennpunkts? Fehlanzeige!
Mal vorausgesetzt die letzten juristischen Hürden sind übersprungen: Für die Frage wie die Wohnungen angenommen werden, sind wohl zwei Punkte entscheidend:
1. stimmt die Architektur (auch geschlossene Bauweise kann gute Resultate bringen!)?
2. gelingt es nach den Tiefschlägen der Lärmklage der Frankfurter Unternehmen, das öffentliche Gefühl, es handele sich um verlärmte Wohnungen, zu drehen.

Sicher: es wird keine Landidylle. Wer den Bach plätschern hören will, ist fehl am Platze. Ruhig ist es aber am Frankfurter Westhafen auch nicht. Ich habe aber die Hoffnung, dass es ein ordentliches Wohngebiet mit einem guten Mix wird. Der einzige Wermutstropfen für mich wären dann, dass "Hafen II" und "Kinka Beach Club" verschwänden - hoffentlich nicht ersatzlos.

Die Mainviertel GmbH wird viel zu tun haben, die tief verwurzelten Ängste der Offenbacher, die wahrscheinlich in den schlechten Erfahrungen  mit "Neubauvierteln" der 60er begründet liegen, abzubauen.


PS: Das Bild vom Kinka mit der EVO im Hintergrund (solche schönen Schornsteine gibt´s übrigens am Frankfurter Westhafen auch) habe ich heute auf einer Bootsfahrt gemacht - ebenso das vom  Westhafen.

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