Mittwoch, 21. Januar 2009

Westerwelle, Dette und Palmer

Einen eigenen FDP-Kanzlerkandidaten aufzustellen sei die Schraube ein Stück weit überdreht, sagte Guido Westerwelle in Düsseldorf 2001. 2002 wählten die Delegierten Westerwelle eben genau auf dieses "virtuelle Amt". Das damit verbundene Projekt 18 scheiterte. Damit scheiterte auch die Figur des Kanzlerkandidaten. Und fast Westerwelle.

Völlig jenseits des sensationellen Wahlergebnisses der FDP in Hessen, dessen Sondersituation aufgrund des Wortbruchs der SPD und eines notorisch unbeliebten Ministerpräsidenten ich sehr wohl einzuschätzen weiß: Ich habe nie verstanden, warum eine kleinere Partei keinen Kanzlerkandidaten aufstellen darf. Sicher, bei der Sektiererin Helga Zepp La Rouche von der Europäischen Arbeiter Partei (später: Patrioten für Deutschland/BüSo) war das etwas affig als sie 1980 als "Kanzlerkandidatin" antrat und sich für eine Koalition mit Helmut Schmidt aussprach.

Aber warum soll eine Partei, die im Bundestag vertreten ist, nicht zeigen, wen sie zum Kanzler machen würde, wenn sie denn stärkste Partei wäre (gar nicht davon zu sprechen, dass in anderen Staaten auch mal die Vertreter kleinerer Parteien den Regierungschef stellen). Es kandidiereren ja auch landauf, landab liberale und grüne Direktkandidaten für Parlamente und Bürgermeisterkandidaten, die oft wenig Chancen haben. Sicher: der Bürger kann dort direkt für eine Überraschung sorgen und wählt den Kanzler nicht direkt. Das mag einen Erfolg für kleine Parteien schwieriger machen. Ein Argument ist es nicht. Denn die so genannten "Kanzlerkandidaten" aller Parteien sind nicht mehr als Ansagen der Parteien. Es würde die Position des Kanzlerkandidaten sogar von seiner absurden medialen "Erhöhung" reduzieren, wenn FDP, Grüne und Linke ihren Spitzenkandidaten auch als "Kanzlerkandidaten" benennen würden.

Dann muss sich freilich etwa auch ein Guido mit den Merkels und Steinmeiers messen lassen. Ich finde er hält den Vergleich gut aus. Andere werden dies sicher anders sehen.

Damit Sie mich nicht für übergeschnappt halten, schreibe ich es hier noch einmal: Für einen liberalen Kanzler auf Bundesebene sehe ich trotzdem die Zeit noch lang nicht gekommen. Auch wenn das Parteiensystem viel variabler geworden ist und sowohl FDP als auch Grüne gute Chancen haben, sich perspektivisch als "Mittelpartei" zu etablieren.

Auf kommunaler Ebene gibt es aber sicher verstärkt die Möglichkeiten für kleinere Parteien in Personenwahlkämpfen erfolgreich zu sein und etwa auch in den Städten den Oberbürgermeister zu stellen. In Wetzlar regiert beispielsweise der liberale Dette, in Freiburg der grüne Palmer. Wer sich das Spitzenpersonal der Parteien auch in anderen Städten ansieht: die Dezernenten der kleinen Parteien brauchen sich im Hinblick auf Kompetenz und Rückhalt in der Bevölkerung vor den Großen wahrlich nicht zu verstecken.

PS: Die Grundlagen des Projekts 18 ("Öffnung der FDP für´s ganze Volk" und "Eigenständigkeit") halte ich weiter für richtig - ebenso wie die Annahme des fehlenden Bindungswirkung der großen Volksparteien durch die Auflösung der sie tragenden Milieus.

1 Kommentar:

  1. Dem ist nichts hinzuzufügen (vor allem dem PS-Abschnitt nicht)... aber leider wird sich kein prominenter Bundespolitiker finden, der das genauso sieht bzw. bereit ist, seine Meinung öffentlich zu vertreten...

    Schöne Grüße aus Hamburg!

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